Lancia Flaminia: Eine italienische Ikone der Oberklasse
Die Lancia Flaminia ist ein Automobil der Oberklasse und ein wahres Schmuckstück der Automobilgeschichte. Von Frühjahr 1957 bis Anfang 1970 wurde dieses elegante Fahrzeug von Lancia produziert und trat die Nachfolge der Lancia Aurelia an. Benannt nach der Römerstraße Via Flaminia, ist die Flaminia ein Automobil, das für seine Zeit richtungsweisend war und bis heute bei Oldtimer-Liebhabern und Lancia-Enthusiasten gleichermaßen beliebt ist. In diesem Artikel tauchen wir tief in die Welt der Lancia Flaminia ein, erkunden ihre Entwicklung, ihre verschiedenen Modelle und ihre Bedeutung in der Automobilgeschichte.
Entwicklung und Design
Die Geschichte der Lancia Flaminia beginnt im Jahr 1955, als die Familie Lancia nach 49 Jahren die Aktien des Familienunternehmens verkaufen musste. Der neue Eigentümer, Cavaliere Carlo Pesenti, ein Bauunternehmer und Zementfabrikant, leitete eine neue Ära für die Marke Lancia ein. Unter seiner Führung wurde Antonio Fessia zum technischen Direktor ernannt, und es begann eine Zusammenarbeit mit dem berühmten Designer Pininfarina.
Pininfarina entwarf eine große Limousine als Nachfolger der Lancia Aurelia, basierend auf der Studie „Florida I“ auf dem Aurelia-Chassis. Die viertürige Limousine mit gegenläufig öffnenden Türen und einem flachen Kühlergrill war ein elegantes und schlankes Fahrzeug, das an ein modernes viertüriges Coupé erinnerte. Dieses Design beeinflusste nachhaltig das Styling der 1960er-Jahre und ist heute noch gelegentlich bei Oldtimerveranstaltungen wie dem Concorso d’Eleganza Villa d’Este am Comer See zu bewundern.
Lancia war von der Form des Florida überzeugt und ließ auf dieser Basis eine Serienlimousine entwickeln. Auf dem Turiner Autosalon 1956 wurde der Prototyp vorgestellt: eine komfortable Limousine mit einem kraftvollen V6-Motor und hinten liegendem Getriebe. Die Flaminia teilte viele technische Ähnlichkeiten mit ihrer Vorgängerin, der Aurelia, aber ihre Karosserieform war neu und modern.
Die Flaminia Berlina (1957-1970)
Auf dem Genfer Auto-Salon im März 1957 präsentierte Lancia die serienreife Flaminia Berlina. Die moderne und schlichte Form der Limousine prägte die Fahrzeuggestaltung der kommenden Jahre wie kaum ein anderes Modell. Hersteller wie Peugeot, die British Motor Corporation, Pontiac, Prince, DKW, Borgward und Sachsenring orientierten sich an der sogenannten Trapezform der Flaminia.
Die Flaminia war mit einem V6-Motor ausgestattet, einer Bauweise, die zu dieser Zeit einzigartig war und heute bei Sechszylindermotoren fast die Regel ist. Die Limousine beeindruckte durch ihre durchdachte Konstruktion und aufwändige Detaillösungen. Dazu gehörten ein Heckscheibenwischsystem mit zwei Wischblättern, ein Druckluftaggregat zum Öffnen des dritten Seitenfensters und eine umschaltbare Hupe für eine diskrete oder klangvolle Fanfare. Spätere Modelle boten auch beheizbare Heckscheiben und elektrische Fensterheber an.
Die Lancia Flaminia verfügte über ein vollsynchronisiertes Getriebe, eine De-Dion-Hinterachse und ab Anfang 1961 über Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Die Motorleistung wurde im Laufe der Jahre erhöht, von anfangs 75 kW (102 PS) auf 95 kW (129 PS) im Jahr 1962. Im Herbst 1963 erschien die zweite Serie der Lancia Flaminia Berlina.
Wegen ihrer raffinierten Bauart und aufwändigen Ausstattung war die Flaminia ein teures Auto, das im Preis höher lag als vergleichbare Fahrzeuge von Mercedes-Benz oder Jaguar. Hinzu kamen die hohen Steuern für Autos mit über 2000 cm³ Hubraum auf dem italienischen Heimatmarkt, was die Stückzahlen begrenzte. Insgesamt wurden von Frühjahr 1957 bis Anfang 1970 nur knapp 4000 Limousinen gebaut.
Die Flaminia Coupés
Lancia beauftragte traditionell verschiedene Karosseriebauer für von der Limousine abgeleitete Sonderkarosserien. Für die Lancia Flaminia wurden drei Konzepte gewählt, realisiert von Pininfarina, Touring und Zagato. Pininfarina entwarf das elegante, viersitzige Coupé für lange Reisen, Touring den sportlichen Zweisitzer für den Mittelstand und Zagato den Supersportwagen mit Rennsportambitionen.
Das Flaminia Coupé von Pininfarina (1959-1967)
Auf dem Turiner Autosalon 1958 präsentierte Lancia das zweitürige, viersitzige Coupé von Pininfarina. Das Coupé war eine Weiterentwicklung des Florida II und zählte zu den Favoriten von Battista Farina, der es bis zu seinem Tod im Jahr 1966 fuhr. Das Coupé war der Limousine sehr ähnlich, aber mit einem kürzeren Radstand und einer höheren Motorleistung von 87 kW (119 PS). Das Gewicht von 1500 kg und der verkürzte Radstand verbesserten die Fahrleistungen im Vergleich zur Limousine.
Im Test der Zeitschrift „Auto, Motor und Sport“ von 1960 beschleunigte der Wagen in 16,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 168 km/h. Mit einem Grundpreis von 26.850 DM war der Lancia Flaminia viermal so teuer wie ein Karmann Ghia und zählte somit zu den Luxusautos seiner Zeit. Das Auto beeindruckte durch sein außergewöhnliches Fahrverhalten, seine hochwertige Verarbeitung und sein elegantes Design.
Während seiner Produktionszeit wurde das Pininfarina Coupé ständig weiterentwickelt. Die erste Serie (Typ 823) wurde von Anfang 1959 bis Ende 1963 gebaut und initially mit einem 2,5-Liter-Motor mit 85 kW (119 PS) angeboten. Ab 1962 erhielt der Motor drei Solex-Doppelvergaser, wodurch die Leistung auf 95 kW (128 PS) stieg.
Die zweite Serie (Typ 826), die im Herbst 1963 eingeführt wurde, trug die Modellbezeichnung „Coupé 3B 2,8“ und hatte einen Hubraum von 2,8 Litern. Die Motorleistung stieg auf 103 kW (140 PS), was eine Höchstgeschwindigkeit von 181 km/h ermöglichte. Um das Fahrzeug kostengünstiger produzieren zu können, wurden einige Details vereinfacht oder verändert, wie z. B. die Stoßstange vorne, die Sitze und die Rücklichter.
Die Flaminia GT und GTL von Touring (1959-1967)
Die zweite Coupé-Variante der Flaminia wurde von der Carrozzeria Touring gebaut und war an der Bezeichnung GT (=Gran Turismo) zu erkennen. Die Form war an die des Maserati 3500 GT angelehnt, und das Auto verfügte über die gleichen Technikkomponenten wie die Limousine. Die für Touring typische Superleggera-Bauweise, eine Karosserie mit einem aluminiumverkleideten Stahlrohrgerippe, sorgte für ein 200 kg geringeres Gewicht im Vergleich zur Limousine.
Das Touring Coupé wog nur 1337 kg und bot dank des verkürzten Radstands und der reduzierten Stirnfläche verbesserte Fahrleistungen und Straßenlage. „Auto, Motor und Sport“ zählte das Auto im Jahr 1960 zu den besten serienmäßigen Sportwagen. Im Vergleich zum Pininfarina Coupé war das Touring Coupé härter gefedert, lauter und schneller. Im Test beschleunigte die 2,5-Liter-Version in nur 12,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Endgeschwindigkeit von 180 km/h.
Auch das Touring Coupé war mit einem Grundpreis von 29.850 DM kein billiges Auto. Dennoch galt es in Italien als der Ferrari des Mittelstandes. Ein Ferrari 275 kostete damals fast das Doppelte.
Der Touring Lancia Flaminia wurde ständig weiterentwickelt und profitierte von der Motorweiterentwicklung. Die erste Serie (Typ 824) war zunächst mit einem Vergaser und 87 kW (119 PS) ausgestattet, gefolgt von der 3C-Version mit drei Doppelvergasern und 103 kW (140 PS). Die zweite Serie (Typ 826) wurde ab Herbst 1963 mit dem 2,8-Liter-Motor mit 110 kW (150 PS) angeboten.
Der Flaminia Sport und Supersport von Zagato (1959-1967)
Auf dem Turiner Autosalon 1958 erschien der Lancia Flaminia Sport von Zagato. Der Wagen war eine gedrungene und leichtere Interpretation des GT-Konzepts und bot dank seiner strömungsgünstigen Karosserie noch bessere Beschleunigungswerte und Höchstgeschwindigkeit. Alle Flaminia Sport- und Supersport-Modelle von Zagato hatten die typische Double Bubble-Dachkonstruktion, die für gute Kopffreiheit und Karosseriesteifigkeit sorgte.
Im Herbst 1963 wurde die Leistung des Lancia Flaminia Sport auf 110 kW (150 PS) erhöht. Die letzte Version, der Lancia Flaminia 3C 2.8 Supersport, erreichte als einziger serienmäßiger klassischer Lancia eine Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h. Dies wurde durch ein strömungsgünstiges Kamm-Heck und eine flachere Karosserie erreicht.
Cabriolet und Sondermodelle
Auf der Basis des Flaminia GT stellte Superleggera Touring zwischen Frühjahr 1959 und Mitte 1967 auch einen eleganten offenen Zweisitzer her, das Flaminia Convertibile. Darüber hinaus gab es auch eine Kleinstserie von fünf Flaminia presidenziale, die in staatlichem Auftrag gebaut wurden und bis heute vom Präsidenten der italienischen Republik bei offiziellen Anlässen genutzt werden.
Konkurrenzmodelle
Die Lancia Flaminia trat in der Oberklasse gegen einige renommierte Konkurrenten an. Zu den wichtigsten Wettbewerbern zählten:
- Mercedes-Benz 300: Die Mercedes-Benz 300-Serie war eine beliebte Wahl für Käufer von Luxuslimousinen. Sie bot einen komfortablen Innenraum, robuste Technik und eine elegante, wenn auch konservative, Karosserieform.
- Jaguar Mark 2: Der Jaguar Mark 2 war ein sportliches und elegantes Fahrzeug, das für seine agilen Fahrleistungen und sein luxuriöses Interieur bekannt war. Es bot eine gute Alternative für Käufer, die ein sportlicheres Fahrgefühl suchten.
- BMW 503: Der BMW 503 war ein seltener und exklusiver Gran Turismo, der für seine elegante Karosserie und kraftvollen Motor bekannt war. Er bot eine ähnliche Mischung aus Sportlichkeit und Luxus wie die Flaminia Coupés.
- Maserati 3500 GT: Der Maserati 3500 GT war ein Konkurrent für die Flaminia GT und Touring-Modelle. Er bot einen kraftvollen Motor, eine elegante Karosserie und ein luxuriöses Interieur. Der Maserati war eine beliebte Wahl für Käufer, die nach einem exklusiven und sportlichen Gran Turismo suchten.
Stückzahlen und Fazit
Die Lancia Flaminia war ein Automobil, das für seine Zeit richtungsweisend war und die Fahrzeuggestaltung der 1960er-Jahre prägte. Ihre verschiedenen Modelle, von der eleganten Limousine bis zu den sportlichen Coupés und Cabriolets, boten eine Mischung aus Luxus, Leistung und italienischem Stil. Die Flaminia war ein teures und exklusives Auto, was ihre Stückzahlen begrenzte. Insgesamt wurden von allen Flaminia-Versionen nur 12.649 Exemplare gebaut.
Heute ist die Lancia Flaminia ein begehrter Klassiker, der bei Oldtimer-Liebhabern und Lancia-Enthusiasten gleichermaßen beliebt ist. Ihre elegante Form, ihre technische Raffinesse und ihre Bedeutung in der Automobilgeschichte machen sie zu einem wahren Schmuckstück der Automobilgeschichte. Wer einen Flaminia heute fährt oder besitzt, kann sich glücklich schätzen, ein Stück italienischer Automobilgeschichte zu erleben.