Die Mercedes-Benz Baureihe W 116 ist eine legendäre Oberklasse-Limousine, die ihren Platz in der Automobilgeschichte sicher hat.
Sie wurde von der damaligen Daimler-Benz AG entwickelt und im September 1972 auf den Markt gebracht. Mit dieser Baureihe wurde der Begriff „S-Klasse“ ins Leben gerufen, obwohl das Unternehmen selbst die Vorgänger-Baureihen W 108 und W 109 als eigentliche Geburtsstunde der S-Klasse betrachtet. Die Bezeichnung W 116 steht für die Limousinen, während die Langversionen als „SEL“ bezeichnet und mit V 116 kodiert wurden. Die Baureihe 116 war ein Meilenstein in der Geschichte von Mercedes-Benz und setzte sowohl in technischer als auch in stilistischer Hinsicht neue Maßstäbe.
Entwicklung und Vorstellung
Die Entwicklung der Baureihe W 116 begann bereits 1966 mit dem Ziel, ein Fahrzeug zu schaffen, das größtmöglichen Komfort mit bis dahin unerreichter passiver Sicherheit kombiniert. Federführend war der Technikvorstand Hans Scherenberg. Die Vorstellung des neuen Modells war ursprünglich für die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) geplant, die 1971 vom Verband der Automobilindustrie abgesagt wurde. So wurde die Baureihe 116 schließlich am 25. September 1972 an der spanischen Costa Brava präsentiert.
Die neue Designsprache, die bereits im April 1971 mit dem R 107 eingeführt wurde, zeichnete sich durch klarere und weniger filigrane Linien aus. Der W 116 war deutlich länger, breiter und niedriger als sein Vorgängermodell. Sicherheitsaspekte spielten beim Design sowohl des Innen- als auch des Außenraums eine entscheidende Rolle. Der Wagen wurde im Windkanal getestet und erreichte einen cw-Wert von 0,41. Erstmals waren die Scheinwerfer und der Kühlergrill horizontal angeordnet, ein Stilmerkmal, das bis heute bei allen Mercedes-Modellen zu finden ist. Weitere markante Designelemente waren die parallel laufenden Scheibenwischer und der umfassend gepolsterte Innenraum, in dem alle Oberflächen gepolstert und Bedienelemente versenkt integriert wurden. Diese Gestaltung ging auf die Erfahrungen mit den Experimentier-Sicherheits-Fahrzeugen (ESF) von Mercedes-Benz zurück.
Verantwortlicher Designer der Baureihe W 116 war Friedrich Geiger, der bereits zahlreiche andere Mercedes-Modelle gestaltet hatte. Viele der gestalterischen Merkmale der Baureihe W 116 wurden später in anderen Modellen aufgegriffen, insbesondere in der 1975 eingeführten Mittelklasse-Baureihe 123.
Technik und Innovation
Mit der Baureihe W 116 führte Mercedes-Benz mehrere technische Neuheiten ein. Der 96-Liter-Tank war kollisionsgeschützt über der Hinterachse angeordnet, und auch das Vierspeichen-Sicherheitslenkrad war eine Neuerung. Das Kofferraumvolumen betrug beachtliche 579 Liter. Im Jahr 1978 wurde der W 116 /V 116 als erstes Auto weltweit mit einem Antiblockiersystem (ABS) angeboten. Dieses wurde von einem elektronischen Analogrechner gesteuert und verbesserte die Fahrsicherheit erheblich.
Eine weitere technische Innovation war die vordere Doppelquerlenkeraufhängung, die bereits beim Experimentalfahrzeug Mercedes C 111 erprobt worden war. Sie bestand aus Einfach-Querlenkern und Stabilisator oben sowie Dreieck-Querlenkern unten, kombiniert mit Stoßdämpfern und Schraubenfedern. Diese Konstruktion gewährleistete einen Lenkrollradius von 0 und durch die Verschränkung der Lenkerdrehachsen eine Bremsnick-Abstützung. Die hintere Aufhängung war hingegen eine Schräglenkerradaufhängung, auch als „Diagonalpendelachse“ bezeichnet. Sie entsprach im Wesentlichen der Konstruktion, die bereits 1968 mit der „Strich-Acht“-Mittelklasse (Baureihe W 114/115) eingeführt worden war.
Bei den Automatikgetrieben kam es ebenfalls zu einer Veränderung. Anstelle der zuvor verwendeten Viergang-Kupplungsautomatik („K4“) mit hydraulischer Kupplung, die für ruckartige Schaltvorgänge bekannt war, wurden nun zeitgemäße Automatikgetriebe mit Drehmomentwandler verbaut. Bei den Sechszylindermodellen kam ein Viergang-Automatikgetriebe zum Einsatz, während die Achtzylindermodelle mit einem dreistufigen Automatikgetriebe ausgestattet wurden. Diese Änderung war vor allem eine Reaktion auf die Vorlieben des US-Marktes, wo Automatikgetriebe mit Drehmomentwandler bereits seit den 1930er Jahren beliebt waren.
Bedeutung und Modelle
Der Automobilhistoriker Werner Oswald bezeichnete die Baureihe W 116 als einen „Meilenstein in der Geschichte des Hauses [Mercedes-Benz]“. Sie verkörperte sowohl technische als auch stilistische Weltklasse. Der Mercedes-Benz 450 SE/SEL wurde 1974 zum „Auto des Jahres“ gewählt, und die Zeitschrift „auto motor und sport“ verlieh dem 450 SEL 6.9 im Jahr 1975 den Titel „Das Beste Auto der Welt“.
Zur Markteinführung im September 1972 wurden die Varianten 280 S, 280 SE und 350 SE angeboten, allesamt mit Sechszylindermotoren ausgestattet. Im März 1973 folgten die Achtzylindermodelle 450 SE und 450 SEL, und im November 1973 kam der 350 SEL hinzu. Der 280 SEL komplettierte die Reihe im April 1974.
Der 450 SEL 6.9, das Spitzenmodell der Baureihe, wurde im Mai 1975 präsentiert und ging im September 1975 in Produktion. Sein Triebwerk, der M 100, war vom Vorgängermodell 300 SEL 6.3 abgeleitet, mit einem aufgebohrten Hubraum von 6,9 Litern. Die Einspritzanlage wurde durch die Bosch K-Jetronic ersetzt, und der Motor erhielt eine Trockensumpfschmierung. Die Nennleistung betrug 210 kW (286 PS) und das maximale Drehmoment 550 Nm bei 3000 U/min. Der 450 SEL 6.9 erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von über 225 km/h und bot ein beeindruckendes Fahrerlebnis.
Eine weitere Besonderheit der Baureihe W 116 war der 300 SD, der im Mai 1978 eingeführt wurde. Er war der weltweit erste Oberklasse-Pkw mit Dieselmotor und der erste Serien-Pkw mit Turbodieselmotor. Angetrieben wurde er von einem Fünfzylinder-Turbodiesel (OM 617), der eine Leistung von 82 kW (111 PS) erzeugte. Der 300 SD wurde ausschließlich in den USA und Kanada angeboten und war eine Reaktion auf die US-amerikanische Corporate Average Fuel Economy, die strenge Vorgaben für den Flottenverbrauch der Autohersteller machte.
Die Baureihe W 116 umfasste auch Sonderschutzfahrzeuge, die auf den Erfahrungen von Mercedes-Benz bei der Entwicklung des sondergeschützten 280 SEL 3.5 basierten. Von den Achtzylindermodellen 350 SE, 350 SEL, 450 SE und 450 SEL wurden insgesamt 292 Fahrzeuge als Sonderschutz-Fahrzeuge produziert.
Produktionsende und Preise
Im September 1979 wurde der Nachfolger der Baureihe W 116, der W 126, auf der IAA in Frankfurt präsentiert. Die Produktion der Baureihe W 116 lief jedoch noch bis September 1980 weiter, da der W 126 zunächst nicht in den USA verfügbar war. Das letzte Exemplar, ein 300 SD für den US-Markt, rollte im September 1980 im Werk Sindelfingen vom Band. Insgesamt wurden 473.035 Fahrzeuge der Baureihe 116 produziert.
Die Preise für die Modelle der Baureihe W 116 variierten je nach Ausstattung und Motorisierung. Zur Markteinführung im September 1972 kostete der 280 S 23.800 DM, während der 350 SE bereits 28.900 DM kostete. Der 450 SEL, der im März 1973 eingeführt wurde, hatte einen Preis von 38.600 DM. Das Spitzenmodell 450 SEL 6.9 hatte einen Grundpreis von 69.930 DM im Jahr 1975, was heute einer Kaufkraft von etwa 109.509 Euro entsprechen würde.
Technische Daten und Umbauten
Die Baureihe W 116 bot eine breite Palette an Motorisierungen, darunter Sechszylinder- und Achtzylinder-Ottomotoren sowie einen Fünfzylinder-Dieselmotor. Die Sechszylindermodelle waren mit einem 2,8-Liter-Motor ausgestattet, der je nach Version eine Leistung von 115 kW (156 PS) bis 136 kW (185 PS) erzeugte. Die Achtzylindermodelle verfügten über einen 3,5-Liter- oder 4,5-Liter-Motor, der 147 kW (200 PS) bzw. 165 kW (225 PS) leistete. Das Spitzenmodell 450 SEL 6.9 hatte einen 6,9-Liter-Motor mit einer Leistung von 210 kW (286 PS).
Der 300 SD, der ausschließlich für den nordamerikanischen Markt bestimmt war, wurde von einem 3,0-Liter-Fünfzylinder-Turbodieselmotor angetrieben, der 82 kW (111 PS) leistete. Dieser Motor bot ein hohes Drehmoment und einen geringen Kraftstoffverbrauch, was ihn ideal für den US-Markt machte.
Es sind auch einige Umbauten der S-Klasse-Limousine zu Kombis bekannt, die in England von Karosseriebauern wie Crayford durchgeführt wurden. Dabei wurden Heckklappen und Rahmen des Ford Granada verwendet. Darüber hinaus gab es auch zeitgenössische Tunings von AMG, die die Leistung und das Fahrverhalten der Fahrzeuge weiter verbesserten.
Die Baureihe W 116 von Mercedes-Benz war ein wegweisendes Fahrzeug, das neue Maßstäbe in puncto Sicherheit, Komfort und Leistung setzte. Sie verkörperte die Werte von Mercedes-Benz und prägte das Image der Marke nachhaltig. Heute sind gut erhaltene Exemplare der Baureihe 116 begehrte Klassiker, die bei Sammlern und Liebhabern weltweit hoch im Kurs stehen.
Konkurrenzmodelle der Mercedes-Benz Baureihe 116:
BMW E3 (1968-1977): Die BMW E3-Reihe, auch als „New Six“ bekannt, war die Konkurrenz aus Bayern. Sie bot Sechszylinder-Motoren, eine luxuriöse Ausstattung und sportliche Fahrleistungen.
Jaguar XJ Series I und II (1968-1979): Der Jaguar XJ war ein eleganter Konkurrent aus Großbritannien. Er kombinierte britische Tradition mit modernem Design und starken Motoren.
Audi 100 (1968-1976): Der Audi 100, auch als „Audi NSU Ro 80“ bekannt, war ein innovatives Modell mit Frontantrieb und Vierzylinder-Motoren. Er bot eine komfortable und geräumige Limousine.
Porsche 928 (1977-1995): Der Porsche 928 war ein sportlicher Gran Turismo mit einem starken V8-Motor. Er bot eine alternative Option für Fahrer, die Leistung und Luxus kombinieren wollten.
Volkswagen K70 (1970-1975): Der VW K70 war ein Versuch von Volkswagen, in den Markt für größere Limousinen einzutreten. Er bot Frontantrieb und moderne Motoren, konnte sich aber gegen die etablierte Konkurrenz nicht durchsetzen.
Citroën DS (1955-1975): Die Citroën DS, auch als „Göttin“ bekannt, war ein innovatives französisches Modell mit fortschrittlicher Hydropneumatik-Federung und aerodynamischem Design.
Volvo 164 (1968-1975): Der Volvo 164 war ein luxuriöses und sicheres Fahrzeug aus Schweden. Er bot robuste Technik und einen geräumigen Innenraum.
Cadillac DeVille (1971-1976): Der Cadillac DeVille war ein amerikanischer Luxuswagen mit imposanten Abmessungen und starken V8-Motoren. Er verkörperte den amerikanischen Traum auf vier Rädern.
Lincoln Continental (1970-1979): Der Lincoln Continental war ein weiterer amerikanischer Konkurrent mit luxuriöser Ausstattung und großzügigen Platzverhältnissen.
Dodge Monaco (1965-1977): Der Dodge Monaco war ein Full-Size-Fahrzeug aus den USA mit kraftvollen Motoren und einer komfortablen Fahrweise.
Diese Modelle boten Alternativen zur Mercedes-Benz Baureihe 116 und konkurrierten um die Gunst der Käufer im Segment der Oberklasse-Limousinen. Jedes dieser Fahrzeuge hatte seine eigenen Merkmale und Vorzüge, aber die Baureihe 116 setzte mit ihrer Kombination aus Stil, Technik und dem Ruf von Mercedes-Benz neue Maßstäbe.